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Yoga? Bewegen? Turnen?
Ach nö, lieber nicht. Und ich weiß, wer von Yoga spricht, soll nicht „Turnen“ sagen. Aber so kam es mir vor. Wie eine lange Turnstunde auf einer schmalen Matte.
Nun geht es aber Seele und Körper nicht immer blendend, und als ich vor einiger Zeit in eine mittelüble Krise schlitterte, fiel mir dieses Dingens, dieses „Yoga“, wieder ein.
Eine Freundin brachte mich auf das „Ilios Center“ und die „DONNA“ wollte einen Bericht. Darüber, wie ich mich eine Woche lang nur um sich selbst kümmere und dabei die Wirbelsäule verdrehe.
Um es kurz zu machen: Das Ganze ging gut aus und Zweifler können hier nachlesen, warum Yoga nicht durchgeistigt sein muss, dass man dabei ein „Dolly von der Burg“-Gefühl entwickeln kann und keine Sweatpants von Gucci braucht.

(Dieser bearbeitete Text erschien in „DONNA“)

Das erste Mal: Yoga

Ich hatte es probiert. Theoretisch.
Ich hatte Freundinnen zum Yoga gefahren, Freundinnen vom Yoga abgeholt, mich am Eingang über Buddhafiguren, atmungsaktive Leibchen und Duftöle im Sonderangebot informiert und festgestellt, dass jetzt nur noch Yoga-Heizdecken fehlen.
Ich war interessiert, durchaus Hüftgold-beladen, aber noch halsstarrig.
Mein Mantra: Später.
Mein Schicksal: Später kommt früher als man denkt.
Denn zu diesem Jahresende steckte ich in einer Krise.
Das alte Jahr hatte so schaurig aufgehört wie das neue enden würde. Wenn das so weiterging.
Freunde, Dispos und Aufträge im freien Fall. Iirgendwann traute ich mich nicht mehr ans Telefon zu gehen.
Es war sowieso immer Frau Berger vom Finanzamt dran.

Raus aus der Krise

Innerlich verkarstet steuere ich also auf die große Leere zu: Burn Out. Dieser Begriff wurde übrigens schon 1974 von dem deutsch-amerikanischen Psychiater Herbert Freudenberger ins Spiel gebracht. Er unterschied dabei die zwölf Stufen des Ausbrennens bis hin zum endgültigen Zusammenbruch.
Ich pendele mich – nehme ich an – momentan bei zehn ein.
„Du musst dich entspannen“, mahnen die letzten Freunde.
Und weil das Internet zum Stichwort „Entspannung“ Trillionen Einträge liefert, verlasse ich mich lieber auf einen ihrer Tipps. Eine Reise in die Tiefenentspannung in einem griechischen Resort. Im “Ilios”-Center testet man sich durch die Spielarten der inneren Ruhe: Tai Chi, Qigong, Meditation, Trance, Tanz, Massage und Malerei. Und zur Krönung soll ein Yoga-Kurs letzte Verspannungen lösen.
Na bitte.

 

Gästebungalows im Ilios-Center

 

Was, kein Dessert?

Erster Eindruck: Hübsch. Das Ilios-Center liegt in der Abenddämmerung, es stehen 36 strahlend weiße Terrassenappartements bereit, 30 Gäste sind angereist, vor allem Frauen, und die Parkanlage breitet sich zwischen dem Fährhafen von Igoumenitsa und dem Städtchen Perdika an der griechischen Westküste aus.
Auf der Terrasse mit Blick auf Wellen und Nachthimmel wird noch schnell ein Willkommenssalat serviert (was, kein Dessert?), danach ist Bettruhe. Meine Gedanken vor dem Einschlafen gelten einer eingebildeten Gastritis, einer Tafel Noisette und Frau Berger.
Ich burne immer noch aus, das spüre ich. Es knistert zwischen den Magenwänden.
Am nächsten Morgen aber kann ich nicht anders. Ich muss lächeln.
Das „Center“ entpuppt sich bei Tageslicht als Paradies aus Bougainville-Blüten, Lavendelduft plus Sonnenschirmen mit Pool.
Und anders als beim Dinner gibt es schon zum Frühstück eine Art Dessert: Saftige Honigbällchen von Chefkoch Jannis.
Beilagen: Eine sonnengeflutete Yogahalle mit Küstenblick, Pinien und Olivenhaine.
Der Strand ist nur einen Kirschkernspucker entfernt, mit vielen einsamen Buchten, die alle „Secret Beach“ heißen.

 

Willkommen

Der Garten Eden…

…muss so ähnlich ausgesehen haben. Wobei die Schlange Adam und Eva hier zu Lotussitz und Sonnengruß verführt hätte, und alles wäre in Butter gewesen für die Menschheit.
Es geht los. Noch vor dem Frühstück renkt sich die Yoga-Gruppe ein.
Mein erster Kontakt mit dem Turn-Trend (so nenne ich Yoga in meinem gehässigen Kopf noch immer) war zugegeben: angenehm. Weder werde ich in einen Kopfstand gezwungen noch wird die Heizung auf vierzig Grad hochgejubelt. Die spektakulär angenehme Yoga-Lehrerin Tanja glaubt mir sogar, dass meine Arme „wirklich viel zu kurz“ sind, um bei durchgestreckten Beinen die Hände auf den Boden zu legen. „Vielleicht ist das ja so bei Dir“, sagte sie und lächelt allwissend. Tanjas Stimme ist sanft wie ein Kissen. Streichelt dort, wo Hände nicht hinkommen und schon nach kurzer Zeit zwinge ich mich morgens um sechs aus dem Bett um diese Stimme nicht zu verpassen. Dazu passend: ihr Look. Tanja ist das Gegenteil einer schicken Großstadt-Yogi: ungeschminkt, weite Hosen und braungebrannte Füße, die bestimmt nie einen Stiletto von innen gesehen haben.
Viel kann man sich von ihr Abgucken. Die langsamen, ausgeruhten Bewegungen, Muße und Umsicht. Und dass sich auf den fünfzehn Matten vor ihr neben Anfängerinnen auch ausgebildete Yogalehrerinnen verrenken, ist erstaunlich.
Tanjas ausgeklügeltes Programm bringt alle gleichsam ins Schwitzen und ein bisschen weiter.

Am Montag lerne ich die Wirbelsäule „wie eine Perlenschnur“ in Zeitlupe abzulegen und drehe mich irgendwie seltsam zur Seite („das Krokodil“), am Dienstag atme ich prustend durch die Nase (pfft, pfft, pfft, „Feueratem“), sitze kerzengerade mit verschränkten Beinen („Diamantsitz“) und mache schon am Mittwoch „den Hund“, eine enorm entspannende Räkelart.
Hunde wissen, was gut tut.

 

Blick von oben auf die Bucht.

 

Dolly auf der Burg

Schon vor 3500 Jahren, so alt ist Yoga nämlich vermutlich, haben frühe Yogis die Bewegungen der Tiere studiert und nachgeahmt. Das erzählt Tanja in einer Theoriestunde und schreibt auf ihr Flipboard: „Yoga als Geisteswissenschaft“. Das mag öde klingen, aber wir hören gespannt zu und lachen viel. Von wegen durchgeistigt.
Einmal wetten wir am Morgen um ein paar Münzen, wie viele Dreadlocks Tanja auf dem Kopf hat. Marlen aus der Schweiz zählt mit Erlaubnis nach – es sind 78. Ich verliere haushoch.

Es wird ein bisschen wie bei „Dolly auf der Burg“. Wir Yogadamen sitzen kichernd im Gras, machen Tai Chi am Strand und trinken Cappuccino. Schnell kenne ich die Lebensgeschichten von Vera aus Berlin, Hannah aus dem Bergischen Land, Marlen aus St. Moritz und Petra aus Köln. Dass wir alle eine Extrarunde Entspannung nötig haben, ist klar.
Eine hat gerade eine harte Krankheit hinter sich, andere knabbern an Scheidungen und sonstigen kleinen und großen Krisen.
Im echten Leben sind sie Psychotherapeutin in Frankfurt, Arzthelferin in Tirol und Fluglotsin in Bayern. Kosmetikerin Sabine erzählte von zickigen Botox-Ladies und unterbesetzten Nagelstudios und ausgerechnet die beiden ältesten Frauen in der Runde entpuppen sich als biegsame Bewegungswunder. Dolly mit Dehnungsstreifen.

Ich lerne: So ein Yoga-Center muss nicht esoterisch sein und auch kein dogmatischer Ashram, in dem Yoginis tadelnd fragen: „Was, du guckst NETFLIX?“
Nein, hier wird von Berliner Eisbein geschwärmt, werden Modetrends diskutiert und nicht befolgt, Reality-TV besprochen und ganz und gar weltliche Büchertipps ausgetauscht. Ich empfehle „American Psycho“. Bisschen Gruselausgleich nach all der Harmonie.

 

Auch im Angebot: Malen im Kunstzimmer

Wer ist noch mal Frau Berger?

An einem der heißesten Tage unternehmen wir dann den letzten Ausflug. Das Städtchen Parga  stellt Holzboote, Steintreppen, verschachtelte Häuser, Boutiquen und Strandcafes malerisch zur Schau.
„Können wir nicht hierbleiben?“, fragt Hannah.
Am Freitag Abend sitzen wir bedripst ein letztes Mal auf der XL-Terrasse, tauschen Adressen und verdrücken ein paar Tränen.
„Es kam uns vor wie eine lange Zeit, so schön war das“, seufzt der Chor der Heimfahrer.
Tschüss, sanfte Stimme, tschüss, ihr alterslosen Dollygirls. In der letzten Nacht kreisen meine Gedanken vor dem Einschlafen dann auch zielführend um die Honigbällchen von Jannis, das gute Gefühl in meinem Bauch und den Duft von Lavendel. Wer ist noch mal Frau Berger?

Letzte Sonennuntergangsanbetung auf der Terrasse

 

PS: Bevor ich mich wieder in den Sonnengruß werfe, noch ein paar Informationen zu Yoga-Lehrerin Tanja Seiler: Vor vielen Jahren landete sie über etliche Umwege (Freiburg-Kurdistan-Pakistan) in Indien und ging dort bei einem Yogi in die Lehre.
Sie lebte lange in einer Höhle mitten im indischen Nirgendwo und ihr Meister in der Höhle darüber. Zurück in Deutschland unterfütterte sie seine Praxis-Lehren mit einem Philosophie- und Indologie-Studium. In Freiburg leitet sie heute ihr eigenes Yoga-Zentrum. Im Institut für Yoga man sie besuchen. Und buchen.

Dir Frau zur Stimme: Yogalehrerin Tanja Sailer  in Griechenland.

Mehr über das Center gibt es hier:
www.ilios-center.com